Schon mit jungen Jahren begab sich Moschdehner auf Expeditionen. Seine erste führte ihn nach Spanien in ein Dorf mit dem Namen „Belchite“. Hier berichteten die Einwohner immer wieder von seltsamen Geräuschen, lautem Rufen und Lichterscheinungen. Die Alten meinten, es läge ein Fluch auf dem Ort.
Gesichert ist, dass hier Ruinen des spanischen Bürgerkriegs liegen, viele Schlachten den Energiefluss durcheinander gebracht haben und ein Gestank nach muffigen Klamotten und Schweiß vorherrscht, der wie eine Bettdecke über den Dächern liegt.
Es war Zufall, dass er gerade in diesen Ort kam. Auf jeden Fall dachte er das damals. Heute ist ihm bewusst, dass alles zusammenhängt. Jede Erfahrung und jedes Erlebnis eine Perle an einer Kette, ein Spuckebläschen an einem Spuckebläschen in einer KotzePfütze oder ein Glied in einem Panzerfahrzeug mit dem man alle widrigen Lebensumstände aus dem Weg bombt. Letzterer Vergleich war drastisch, aber wirksam.
Ich schrieb „Mit jungen Jahren“. Moschdehner hatte insgesamt vielleicht 131 Schweine ausgeschlachtet. Ich benenne diese Schweine, weil es in Bobitz Brauch war und noch immer ist pro Jahr wenigstens 8 Schweine zu schlachten. Das wird in einem eigenen Ritus genau am Geburtstag gemacht. Moschdehner war 15 Jahre alt!
Mit einem selbstgebautem Holzfahrrad fuhr er einen alten Pilgerweg nach Spanien und erlebte schon auf der Fahrt mehrere Abenteuer. Zum einen gewann er gegen eine entlaufene Bartagame im Armdrücken, reinigte seine Füße mit Schmierfett und Glaswolle und überfuhr hunderte Kleinstlebewesen und bildete sich ein, ihr kurzes Wehklagen dabei zu hören. Er machte Skizzen der schönsten Landschaften auf seinem Weg und fotografierte seinen Bauch stets wenn er Hunger verspürte. Irgendwann machte dies satt.
In Belchite fuhr er erst einmal zum ansässigen Tischler. Das Holzfahrrad hatte ein paar Schäden durch die schlechten Strassen erhalten und musste ausgebessert werden. Deshalb wurde eine Pension genommen, Herold ging duschen, legte sich aufs Bett und zeriss sein Herz. Er nahm es mit seinen Gedanken an beiden Hälften und zerrte mit Heimweh und Fernweh daran bis es in klitzekleine Scherbelchen zerknatterte. In Zeitlupe sah er jedes einzelne Stück zu Boden gehen und zuckte bei jedem Mal gewaltig zusammen. So sehr, dass er seine Eckzähne abbrach.
Natürlich war dies nicht wirklich so passiert. Auf jeden Fall sollte dies nur aufzeigen, wie verloren sich der 15jährige Bub fühlte. Es war seine erste Reise ohne Eltern und bisher hatte er keine Zeit gehabt um alles einmal sacken zu lassen. Jetzt hatte er sie.
Er kehrte in sich ein um aufzukehren. Alle Mühen der letzten Tage strich er mit einem knöchernen Besen aus seinem dichten Gehirnzellenwald und lud dann gedickte Zimmerluft hinein. Dabei sog er alle positiven Gefühle mit ein, die dieses Zimmer erlebt hatte.
Die Liebe vom Müller und der Melkerin. Die selige Zufriedenheit von acht Wanderern die betrunken einschliefen und die Freude eines Mannes, der nach einem Diebstahl nicht erwischt wurde und sich darüber räubisch freute.
Herold zu Moschdehner benötigte nur 30 Minuten um sich zu erholen, sich neu zu ordnen und sein Heimweh abzulegen.
Die Funktionstüchtigkeit seiner Gliedmaßen wurden noch ein wenig getestet und sein Genital solotechnisch genutzt. Das Ergebnis strich er an die MatratzenUnterseite. Dies gab ihm ein beruhigendes Gefühl und steckte gleichzeitig sein Revier ab.
Versuchen Sie es selbst einmal. Befriedigen Sie sich selbst und reiben dann das Bett, das Laken mit der produzierten Flüssigkeit ein. Kurz danach holen Sie einen Wildfremden ins Schlafzimmer und Sie werden sehen, dass dieser Ihr Refugium respektiert und sich nicht in Ihr Bett legt!
Das Zimmer hatte gefühlt gar keinen Standort. Irgendwie lag die Pension in der Mitte des Dorfes aber auch im Außenbereich. Um sich einen genaueren Überblick zu verschaffen machte sich der junge Moschdehner auf um Flüssigkeit in seinen Körper zu treiben. Seine Füße und Hände waren schon sehr rau und dem Aufplatzen nah. Er hatte auf der gesamten Reise nur sehr wenig getrunken um seinen Geldbeutel zu schonen und dem Holzrad weniger Ballast zu geben.
Irgendwo heulte ein Hund, dann stimmte ein zweiter ein. Irgendeine Tür ging auf und ein Mann brüllte. Dann war es ruhig. Die Laternen waren genau in diesem Moment angegangen und die ersten Insekten machten sich an, an den Glühbirnen in den Tod zu gehen.
Das Gasthaus lag am unteren Ende der Strasse. Grüne Schrift auf weißer Wand. Eine Holzsammlung für den Winter daneben und ein paar klapprige Autos davor. Raues Gelächter drang auf die Straße. Männerstimmen, die lautstärkentechnisch im Wettbewerb schienen und zwischendrin eine hysterische betrunkene Frau.
Moschdehner war nicht nur 131 ausgeschlachtete Schweine alt, er sah auch genauso aus. Und doch war es seine innere Ruhe und eine gehörige Portion Selbstbewusstsein, die ihn nicht auffällig erscheinen ließ. Er setzte sich an die Bar, drehte den Stammtischen den Rücken zu und wollte gerade bestellen.
„Bier?“
„Nein, ich möchte kein Bier. Bier trübt nur die Sinne und in meinem Falle wächst mein Gehirn noch und würde unter Alkohol falsche Wege imprägniert bekommen. Ich bin 131 ausgeschlachtete Schweine alt. Bei uns im Dorf ist es üblich bis zur Hochzeit mit Alkohol zu warten und dies hat sich bewährt. So kann Bobitz mit drei Nobelpreisträgern aufwarten, mehreren Forschern und dem Erfinder des Seils.“
„Des Seils?“
„Ja, des Seils. Joachim Seiler. Ich bin mit seinem Nachfahren gut befreundet. Wir nutzen die gleiche Schweinetränke.“
„Ein Seil hab ich auch!“
sagte der spargeldürre Wirt und stellte ihm ein Bier hin. Erst wollte Herold etwas sagen, aber dann erkannte er die Einladung und die vorhersehbare Enttäuschung, die unausgesprochen trotzdem die anderen Tische wecken würde. In Menschen zu lesen war schon immer eins seiner Steckenpferde. Es war eine Art Schutzmechanismus, der ihn vor unangenehmen Überraschungen bewahrte. Zu diesem Wirt hatte er gleich mehrere Eingebungen. Zuallererst fiel ihm auf, dass seine Hände für einen Wirt außerordentlich dreckig waren. Mussten diese doch vom Abwaschwasser sauberer sein als geschnitten und gegessen Weissbrot. Zudem trug er eine staubige Uniform und wirkte ein wenig deplaziert. Auf 400 Schweine schätzte er ihn alt, keine Frau Zuhause, übersteigerter Nationalstolz und Besitzer eines Reifrocks, den er für EigenIntimitäten nutzte.
Er nahm das Bier in die Hand, drehte sich um und blickte ins Nichts. Mit einem Mal verlor er den Halt, fiel fünf Meter in die Tiefe und hieb sich mit seinen eigenen Arschknochen, die sicherlich einen schöneren Namen haben, Fleisch im InnenHautsack ab. Unter ihm befand sich harter Boden, man hörte keine Menschen mehr und das gesamte Gasthaus war fort. Nur ein paar Mauerreste zeichneten einen Anfall von Gebäude.
Herold rieb sich die Augen. Herold rieb sich noch einmal die Augen und dann rieb er sich kurz die Nase und seinen AuaPo. Wo war das Gasthaus?
Ein wenig bis ganz dolle panisch rappelte er sich auf und lief zurück zu der Pension. Auf dem Weg drehte er sich immer wieder herum um nach dem verschwundenen Haus zu sehen, aber es erschien nicht. Dafür hatte er aber das Gefühl er würde verfolgt. Dieses Gefühl war so greifbar, dass er acht Hände im Nacken spürte und Schritte in die Hacken. Noch im Lauf klopfte er an das Pensionsgebäude. Es erschien echt.
Sich unter eine Bettdecke zu verstecken ist natürlich hirnrissig. Würde und wäre, könnte und ist, würde der, die oder das da ganz sicher zuerst schauen. Aber Moschdehner rechnete damit, das der, die oder das, das eben weiß und denkt, es sei eine Falle. In diesem überaus klugen Schachzug beruhigte er sich, schlief ein und ließ die Nacht alleine.
Am nächsten Tag wachte er auf, wunderte sich über das Zimmer in dem er lag, ging Notdurft verrichten und übergab sich an die Erinnerung. Er rieb sich die Augen zweimal, dann kurz die Nase und dann seinen Auapo. Was war da geschehen? Dem musste er auf den Grund gehen. Diesen Entschluss kann man als Startschuss jeglicher weiterer parapsychologischer Arbeit sehen. Viele Menschen erleben paranormale dinge, aber sie verdrängen diese bis ins totale Vergessen. Angst treibt sie. Herold zu Moschdehner trieb der gesunde Menschenverstand, den er wieder herstellen wollte.
Hier die Bücher von Herold zu Moschdehner: